Dienstag, 3. November 2015

Mein Oktober und das Durga Puja

Die Zeit vergeht wie im Flug und der Oktober gehört auch schon der Vergangenheit an. So wie ich im September Blogeintrag gesagt hatte, handelt dieser nun vom Monat Oktober, der so sehr vollgepackt war, dass ich erst jetzt im November die nötige Zeit finde, über die vielen Besuche und Erfahrungen zu berichten.
Beginnen möchte ich mit Dominik, der uns aus der wunderschönen Schweiz besuchen kam. Er schreibt für eine Diözesen-Zeitung und war für drei Tage unser wohlbehüteter Gast. Ich habe ihm also meine drei Arbeitsplätze gezeigt und ich denke, dass Fr. Saju und ich ihm die Aufgabe, die uns in Kalahrdaya gegeben wird, gut dargelegt haben. Im Grunde geht es darum, dass wir der jüngeren Generation kulturelle und schulische Werte und Inhalte vermitteln. Da diese Generation die erste ist, die eine vollständige und mehrschichtige Erziehung bekommt, stellen sich uns da viele Herausforderungen. Um diese Herausforderungen in Augenschein zu nehmen, haben wir zum einen den Pater Provinzial aus Kalkutta und zum anderen einen Angestellten aus des Schatzmeisters der Societas Jesu, Rom zu Gast gehabt. Beide haben natürlich im Gegensatz zu Dominik mehr die Kapelle in Augenschein genommen, deren Fundament nun abgeschlossen ist.
Jetzt wo Saju einen Monat im Lande war (er ist gestern wieder in den Flieger gestiegen), haben eine Freundin aus Chennai und ein Father aus Bangalore die Zeit genutzt und mit Saju an ihrem PHT (also Master?) in dem Tanz gearbeitet, den sich Saju zur zweiten Lebensaufgabe gemacht hat. Father Raj aus Bangalore, der eine Woche nach der Frau aus Chennai kam, war gegen Ende Oktober eine ganze Woche ein guter Teil unseres Teams, während Father Thottem die Durga Puja Woche auf Exerzitien war. Bevor ich jetzt zum größten Fest (-> „Puja“) Kolkatas komme, möchte ich noch Poly erwähnen. Poly hat vor drei Wochen einen Musikauftritt vor versammelter Mannschaft im Facebook Hauptquartier  im Silicon Valley gehabt. Sein Instrument, die Mohenna Veena, ist eine Gitarre mit 22 Seiten, die nur 5 Menschen in Indien besitzen und spielen können.
Poly, ein alter Studienfreund von Saju kam von Amerika nach Kolkata um sein Instrument, dass während der langen Reise beschädigt worden war, zu reparieren. Denn nur ein Mann in Delhi und ein Greis in Kolkata können das Instrument reparieren, welches, wie jedes andere der Art auch, inklusive Resonanzkörper aus einem Stamm geschnitzt ist und dessen Herstellung 13-14 Jahre dauert. Ich hatte die Ehre das Instrument einen ganzen Abend lang spielen zu können und mit meiner Gitarre und ihm ein wenig zu jammen.
Natürlich gibt es noch ein paar mehr Leute, die uns besuchen kamen, doch ich möchte euch jetzt über das Durga Puja erzählen.
 Die Vorbereitung für das Durga Puja kommt in einer Zeit, wo die letzten großen Regenschauer kommen, nach denen sich die schwüle Luft verzieht und die Temperaturen um ein paar Grad fallen. Auf einmal ist jeder unglaublich beschäftigt, was aber wieder erwarten nicht in Hetze und Stress endet, sondern in einem fröhlichen und effektiven Miteinander. Jede Gemeinde baut mit vereinten Kräften das Puja Pandal, die Tempelhalle aus Bambus und bunten Stofftüchern, deren Farbintensität aus einer Waschwerbung kommen könnte. Über Nacht wird aus einem Bambusgerüst ein großer Tempel mit bunten Wänden aus Leinen mit Balkonsund aus dem nächsten ein ägyptisches Grabmal mit Marmorfolie und Styropor-Sandstein. Die Statuen, meist eine Gruppe aus sechs Göttern und drei Tieren, werden in der Nacht vor dem ersten Tag in die Pandals gebracht.
Da das Durga Puja das größte Fest Kolkatas ist, ist es auch das, an dem am meisten Geld ausgegeben wird. Jeder legt sich neue Kleidung zu. Auch ich habe mir gleich sechs Kurtas gegönnt. So sehen die Menschenmassen, die sich durch die vielen Besucher und das Fest an sich auf ein Vielfaches multipliziert haben, so wunderschön farbenfroh, glitzernd und schön aus, dass ich jeden Tag nach einer passenden Beschreibung für meinen Blog gesucht habe und ich mich jedes Mal aufs Neue ratlos in dem überquellenden Farbenmeer verloren habe.
Neben der überwältigenden Schönheit der Menschen, die man erstmal völlig ratlos als gegeben annimmt, fällt einem als zweites die Transformation der Stadt auf. Alle großen Straßen sind meterhoch mit Werbung zugestellt. So dicht, dass man, wenn man sich in einem Bus in der Nähe eines Pandals befindet, nicht einen Anhaltspunkt ausmachen kann, wo man denn gerade ist.
Abseits der großen Straßen und in der Nähe der Pandals wurden in das dichte Gewirr von Kabeln eine Konstellation von Lichterketten und LEDs installiert, die im Rennen mit den europäischen Weihnachtsbeleuchtungen den Sieger markieren würden.
Die ganze Stadt, bis auf das neutrale Stadtzentrum, war mit vielen Lichterketten verhängt, was an sich schon beeindruckend war, aber natürlich war es das Highlight, die Durga Statuen zu sehen. In einem Pandal stand meist eine Gruppe von fünf Statuen, in der Mitte Durga. Zwei bis Drei Meter hoch, auf einem Löwen stehend und in der einen ihrer 10 Hände den Dreizack, der das Böse ersticht. Es ist kein Problem als Weißer in den Pandal zu gehen und Fotos zu machen.
Der erfreulichste Besuch für mich waren Fabian und Antonia. Die beiden Mit-JesuitVolunteers sind aus dem nördlich angrenzendem Bundesstaat Bihar für vier Tage Kolkata und Durga Puja angereist. Nachdem ich sie morgens in der sich von der ersten Puja Nacht erholenden Stadt abgeholt hatte, habe ich ihnen zuerst all meine Einsatzstellen gezeigt, bevor wir gemeinsam die Stadt unsicher gemacht haben. In den Tagen darauf sind wir den Tag über in der Stadt umhergezogen und ich habe den Sightseeing Guide gespielt. Das Wetter hat Gott sei Dank immer mitgemacht und blieb jeden Tag erfreulich gut, sodass wir jeden Tag komplett ausschöpfen konnten. Der Abend wurde dann in der Temple Gegend oder am Ganges, besser gesagt am Howrah genutzt. Wir haben viel Pandaljumping gemacht. Das bedeutet, man fährt zu einer Metrostation, kommt an die Oberfläche mitten in der Tempelregion und wird vom Strom der Menschen erfasst. Dieser Wellenartige Strom (Abhängig von der Metro) trägt dich dann durch die Stadt, Pandals, Märkte und Straßen. Es ist also ein unablässiger Puja-Train, aus dem man nur mit Hilfe seiner Ellbogen aussteigen kann.
Allerdings war nicht alles so rosig, wie wir es erlebt haben. Denn leider konnten wir die 6 Meter hohe Gewinnerstatue nicht sehen, da sie nach einer Stampede, die auch Tote gefordert hatte, verhüllt worden war.
Die Besonderheit der letzten Tage des Festes liegt darin, dass in den letzten zwei Tagen des Festes die Statuen der Mother Ganga wieder zurückgegeben werden. Die Zeremonie der Opferung wird am Howrahufer unter Ausschluss von Andersgläubigen durchgeführt.
Unser letzter Tag war besonders absurd. Ich hatte schon meine Sachen gepackt. Mein Plan, Antonia und Fabian nach Bihar zu begleiten und dort eine Woche zu bleiben war schon vor langer Zeit von Father Saju abgesegnet worden. Am Abreisetag hatte Fabian Geburtstag und wir hatten einen Kuchen gekauft, den Saju noch vor dem Frühstück anschneiden wollte. In guter Indischer Manier wurden uns mehrere Stücke fetter Sahnekuchen mit Rumtrauben aus Deutschland auf nüchternen Magen reingedrückt und ich glaube, ich habe insgesamt fünf Stücke gegessen. Ich war ja schon davor von der doch sehr anstrengenden Woche erschöpft, doch nach dem Kuchen kapitulierte mein Körper endgültig. Wir haben dann nach dem Lunch Kalahrdaya verlassen und unser Gepäck in einer Kommunität in Kolkata gelassen. Ich, der ich inzwischen von Schwindel, Gliederschmerzen und offensichtlich auch Fieber geplagt war, habe dort vier Stunden geschlafen, was allerdings nichts am Zustand änderte. Als wir dann nach einiger Zeit und vergeblichen Zwischenstopps bei Apotheken, (um einen Malaria Schnelltest zu bekommen), beim Bahnhof angekommen waren, konnte ich nur schweren Herzens und nach erneuter Absprache mit Fr. Saju, Fabian die Gastgeschenke in die Hand drücken und mich in ein Taxi nach Hause setzen. Es war natürlich die richtige Entscheidung, das Bett der 14 stündigen Reise vorzuziehen, zumal ich noch die nächsten zwei Tage nur im Bett lag und Weißbrot und Bananen zu mir nam.
Jetzt geht es mir natürlich wieder gut und ich blicke voller Vorfreude auf die vor uns liegende Puja Zeit.